Einer Katastrophe gleich kam der Dreißigjährige Krieg (1618-1648).
Stadt und Universität litten gleichermaßen, Hunger und Pest, plündernde und mordende Soldaten dezimierten die Bevölkerung; Stadt und Universitätsbürger verloren ihr Vermögen, der Silberschatz der Hochschule wurde eingeschmolzen, die Bibliotheken entführt. In der
Schlußphase des Krieges wurde Tübingen Hauptquartier der Franzosen.
Von dieser Verheerung haben sich Stadt und Universität lange nicht
mehr erholt.
Zur wirtschaftlichen Misere gesellte sich eine geistige
Verengung. Die vorher blühende Universität - noch 1623 erfand Professor Wilhelm Schickhard die erste mechanische Rechenmaschine der
Welt - sank auf das Niveau einer Lehranstalt bescheidenen Mittelmaßes. Die Lehrstühle waren fest in der Hand einzelner Familien: in
Selbstergänzung kamen nicht selten Söhne oder Schwiegersöhne in frei
werdende Stellen. Erstaunlich, daß trotz aller "Vetterleswirtschaft"
und trotz der herrschenden, von Konfessionalismus und kleinstaatlichem Absolutismus geprägten, provinziellen Verhältnissen, immer
wieder Gelehrte an der Hochschule wirkten, denen überregionale
Bedeutung zukam; wie RudolfJakob Camerarius, der Entdecker der
geschlechtlichen Natur der Pflanzen oder Johann Georg Gmelin, der
Erforscher Sibiriens.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts versuchte Herzog Karl Eugen der
auf bescheidenes Mittelmaß abgesunkenen Universität wieder aufzuhelfen. Als sich jedoch die Mehrzahl der Tübinger Ordinarien den
herzoglichen Reformideen widersetzte, gründete Karl Eugen in Stuttgart die Hohe Karlsschule, der 1781 Kaiser Joseph Universitätsrang
verlieh. In Tübingen sanken daraufhin die Studentenzahlen unter zweihundert, für die Stadt schien sich der wirtschaftliche Ruin anzubahnen. Lebten von den Studenten doch nicht nur die Professoren, sondern auch die Gastwirte, Buchbinder, Zimmerwirte, Kosttischgeber, Schneider, Metzger, Schuster, Stammbuchmaler und so weiter. Wohl nur der Tod des Herzogs mit der kurz darauf erlassenen Aufhebung der Stuttgarter Konkurrenz (1794) bewahrte Tübingen vor dem Schlimmsten.
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Unteres Schloßportal von 1607
(Foto Stadtarchiv, Sinner 1/617)
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